Die Wärmedämmung von Gebäuden hat einen erheblichen Einfluss auf den Energieverbrauch und damit auf den Klimaschutz. Und sie ist die Basis für den Einbau einer Wärmepumpe. Energieeffizienz und Nachhaltigkeit stehen im Fokus – Systeme müssen miteinander kombiniert werden, um wirkliche Erfolge zu erzielen. Aber auch die Bauwirtschaft muss umdenken, es braucht zum Beispiel Materialien, die sich gut recyceln lassen. Maler.org hat sich mit Dr. Hans-Joachim Riechers unterhalten. Er ist einer der Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. (VDPM) und erklärt, warum der aktuelle Stand der Wärmedämmung vielversprechend ist und wie es gelingen kann, den CO2-Ausstoß weiter zu reduzieren.

Über unseren Experten
Herr Dr. Hans-Joachim Riechers ist Hauptgeschäftsführer des VDPM, dem Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. Der Verband repräsentiert die führenden Hersteller von Fassadendämmsystemen, Außen- und Innenputzen, Mauermörtel und Estrich.
Bildnachweis: Simone M. Neumann/VDPM
Herr Dr. Riechers, nicht jeder ist davon überzeugt, sein Haus dämmen zu lassen. Viele befürchten, es könne dann nicht mehr „atmen“ …
Ich mag ja den Begriff atmen, weil jeder versteht, was damit gemeint ist. Wenn man es genau nimmt, ist er allerdings fachlich nicht ganz korrekt. Denn im eigentlichen Sinne atmet ein Haus ja nicht, sondern letztendlich geht es hier immer darum, dass die Feuchtigkeit, die in eine Wand gerät, wieder „herausdiffundieren“ kann, die Wand also möglichst diffusionsoffen ist. Verwendet man zum Beispiel Steinwolle zum Dämmen, dann ändert man an der Möglichkeit zu „atmen“ nichts. Aber auch alle anderen Dämmstoffe sind nicht „diffusionsdicht“, sondern haben durchaus das Potenzial, Feuchtigkeit weiterzuleiten. Deutlich weniger fachmännisch ausgedrückt: Auch gedämmte Wände können „atmen“.
Wenn jemand ökologisch dämmen möchte, was raten Sie ihm?
Aus dem Bauch heraus würden hier viele antworten: einen Dämmstoff auf Holzbasis, sogenannte Holzweichfaserplatten. Fakt ist allerdings: Letztendlich sind alle derzeit angebotenen Dämmstoffe ökologisch. Das sehen Sie, wenn Sie die Ökobilanzen vergleichen. Das heißt, nachfragen: Wie viel Energie benötige ich zur Herstellung und für den Transport, wie lässt sich das Material recyceln, wie verändert die Dämmung den ökologischen Fußabdruck meines Gebäudes und so weiter. Interessanterweise ist das bei allen derzeit gängigen Dämmstoffen vergleichbar: Es dauert manchmal nur Monate, aber höchstens zwei Jahre, bis alle Energie, die zur Herstellung benötigt wurde, durch die Energieeinsparung wieder reingeholt wurde. Und um noch einmal zum Holz zurückzukommen: Derzeit sind gut zehn Prozent der verwendeten Dämmstoffe auf Holzbasis. Aber es gibt eben auch Gründe, einen anderen Dämmstoff zu wählen. Denken Sie an den Brandschutz. Wenn wir einen klimaneutralen Gebäudebestand wollen, dann haben alle Dämmstoffe ihre Berechtigung und alle werden für die verschiedenen Anwendungsfälle gebraucht.
Was halten Sie von Schafswolle als Dämmung?
Schafswolle ist natürlich von daher umweltfreundlich, weil es sich um einen nachwachsenden Rohstoff handelt. Aber auch Schafswolle muss aufbereitet werden, auch das funktioniert nicht ohne Energie. Und hinzu kommt: Von der Wärmeleitfähigkeit her müssen Sie Schafswolle ziemlich dick aufbringen. Bisher wird die Möglichkeit kaum genutzt, die wenigstens Gebäudebesitzer greifen derzeit auf Wolle zurück. Es handelt sich also um eine Marktnische und wenn wir mal bedenken, dass es derzeit rund 16 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser gibt, von denen die meisten noch nicht gedämmt sind und wir im Durchschnitt in Deutschland mehr als 30 Millionen Quadratmeter Dämmung pro Jahr benötigen, dann stellt sich die Frage: Wo sollte die ganze Wolle herkommen? Denn auch Schafswolle ist nicht unendlich und irgendwann würde das zwangsläufig in Ausbeutung enden.
Und was in diesem Zusammenhang vielleicht noch ganz interessant ist: Die Nachfrage nach veganen Baumaterialien wird höher und Schafswolle ist natürlich nicht vegan. Ein weiterer Faktor, der eher für Mineralwolle als für Schafswolle spricht: die Entflammbarkeit. Um eine Schwerentflammbarkeit zu erreichen, muss die Wolle des Tieres behandelt werden. Gleiches gilt, um Motten fernzuhalten. Und das wiederum wirkt sich negativ auf die Klimabilanz des Baustoffes aus. Aber auch hier gilt: Die Entscheidung trifft derjenige, der sein Haus dämmen will.
Wenn es um Dämmung geht, hört man immer wieder den Begriff Wärmedämm-Verbundsystem – was genau versteht man denn darunter?
Ein WDVS, wie man es kurz nennt, ist eine Wärmedämmung, die man nachträglich auf eine bestehende Wand mit mineralischem Mörtel klebt und mit Dübeln befestigt und dann außenseitig zum Beispiel verputzt. Das Problem ist derzeit noch: Verbundwerkstoffe sind schwer zu recyceln, sie sind – wie der Name schon sagt – miteinander verbunden, man bekommt sie nicht so einfach wieder auseinander. Und Baumischabfall ist sehr teuer in der Entsorgung. Heute gibt es Systeme, die so entwickelt sind, dass die einzelnen Schichten später leichter zu trennen sind. Schließlich hat das Thema Recycling inzwischen einen sehr großen Stellenwert. Übrigens: In Deutschland müssen Sie, egal ob Neu- oder Altbaudämmung, immer ein komplettes System verwenden, bei dem alle Komponenten aufeinander abgestimmt sind.
Wie lange hält denn so ein WDVS?
Im Prinzip muss ein System, das einmal auf die Wand aufgebracht wurde, nicht mehr runter. Wir haben das bereits in den letzten Jahrzehnten, gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut, untersucht und auf wissenschaftlicher Basis festgestellt, dass eine Lebensdauer von 50 Jahren hier ganz normal ist.

Viele Gebäude weisen einen unzureichenden Wärmeschutz der Außenwände auf. Bis zu 40 Prozent des jährlichen Heizenergieverbrauchs verpuffen so teilweise durch die Mauern.
Bildnachweis: U. J. Alexander/ istockphoto.com
Was ist, wenn ich zum Beispiel mit einer Wärmebildkamera herausfinde, dass das System seinen Dienst nicht mehr optimal leistet?
In der Regel können Sie davon ausgehen, dass Sie das ursprüngliche System auf dem Gebäude lassen können und dann nur aufdoppeln müssen. Dazu müssen Sie allerdings herausfinden, wie tragfähig das alte System ist und wo genau die Kältebrücken sind, wo der Fehler liegt. Am besten öffnet ein Stuckateur das System, indem er ein Stück entnimmt und überprüft, wie es dahinter aussieht.
In diesem Zusammenhang spricht man auch vom Leopardeneffekt. Worum handelt es sich dabei?
Gerade ältere WDVS sind mit einfachen Tellerdübeln befestigt worden, an denen punktuelle Kältebrücken entstehen. Diese Stahlstifte leiten die Wärme nach außen – was ja nicht erwünscht ist -, die Wand trocknet an diesen Stellen schneller und es lagern sich dort weniger Schmutzpartikel aus der Luft und dem Regen ab. So entsteht der Punkteffekt auf der Außenfläche des Hauses, der auch als Leopardeneffekt bezeichnet wird. Heute sind allerdings die Dübel, ist die ganze Befestigungstechnik so optimiert, dass das nicht mehr passiert.
Kältebrücken – ist das das Gleiche wie eine Wärmebrücke?
Ja, damit ist im Prinzip das Gleiche gemeint. Wärmebrücken sagt man, wenn man es von der Heizungsseite aus betrachtet, bei der Kältebrücke kommt die Kälte nach innen. Beide kommen da vor, wo nicht sauber gearbeitet wurde. Dadurch entstehen einzelne Stellen an der Wand, die richtig kalt sind, zum Beispiel in den Fensterlaibungen.
Wo liegt der Unterschied zwischen einer klassischen Fassadendämmung und einer Kerndämmung?
Wollen Sie zum Beispiel ein Bestandsgebäude dämmen, dann passiert das in der Regel mit einer klassischen Fassadendämmung, einem Wärmedämm-Verbundsystem. Dabei bringen Sie auf die Wand die Dämmung auf, verputzen und streichen sie. Beim Neubau können Sie auch mit einer Kerndämmung arbeiten. Dabei wird vor die tragende Wand eine weitere gesetzt. In den entstandenen Hohlraum kommt die Dämmung. In Norddeutschland finden Sie diese zweischalige Bauweise deutlich häufiger als im Süden. Das liegt auch daran, dass dort das Klima rauer ist und diese Form von Dämmung hochgradig witterungsbeständig ist. Aber natürlich ist das auch eine Geldfrage, denn die Kerndämmung ist deutlich teurer.
Worauf sollte man besonders achten, wenn man einen Altbau dämmt?
Grundsätzlich müssen Sie bei einem Bestandsgebäude daran denken, dass die ganzen Anschlüsse – Fensterbänke, Dachüberstände etc. – geändert werden müssen. Da müssen Sie eventuell sogar mit zwei verschieden dicken Dämmstoffen arbeiten, zum Beispiel an den Fenstern. Handelt es sich bei einem Altbau gar um eine Fassade, die zum Beispiel mit Ornamenten oder Stuck versehen ist, wird es schwierig, von außen zu dämmen. Wenn allerdings von innen gedämmt werden muss, dann sollte unbedingt ein Fachmann die Arbeiten übernehmen. Denn diese Arbeit muss, damit es nicht zu Wärmebrücken und Kondensierungen – und damit zu Schimmel – kommt, extrem sorgfältig ausgeführt werden. Ein Problem bleibt trotzdem: Bei einer reinen Innendämmung wird die Speicherfähigkeit der Wand nicht genutzt.
Welche Rolle spielt die Dampfsperre bei der Dämmung?
Eine Dampfsperre benötigen Sie nur, wenn Sie innen dämmen und auch nur bei bestimmten Innendämmsystemen. Bei einem WDVS ist sie nicht notwendig. Wenn Sie allerdings im Innenraum dämmen – zum Beispiel, weil ein Altbau von außen mit Stuck verziert ist und sich daher nur so dämmen lässt -, dann halten Sie durch die Wärmedämmung die warme Luft mit sehr viel Luftfeuchtigkeit im Raum. Diffundiert diese Luftfeuchtigkeit ungebremst in die kalte Wand, dann fängt das Ganze an zu kondensieren. Sie müssen also vermeiden, dass Feuchtigkeit in die Wand kommt und dazu baut man eine Dampfsperre ein – zum Beispiel eine dampfdichte Folie. Aber es gibt auch mineralische Innendämmsysteme, die mit der Feuchtigkeit auch ohne Dampfsperre zurechtkommen.
Wie wichtig ist es, Bereiche wie den Rollladenkasten oder die Heizkörpernische zu dämmen?
Das ist vor allem bei Altbauten sehr wichtig, da das Mauerwerk an diesen Stellen ganz dünn ist, bei den alten Rollladenkästen pfeift oft sogar der Wind durch. Hier entstehen Wärmebrücken, die aufgrund des sich absetzenden Kondenswassers sogar zu Schimmel im Raum führen können. Dämmen Sie diese Stellen allerdings gut, dann haben Sie immer eine warme, trockene Wandoberfläche.

Gerade beim Thema Altbau sind Heizkörpernischen echte Schwachstellen. Denn durch die geringere Dicke der Außenwand verliert das Haus Energie. Das ist weder für den eigenen Geldbeutel noch für die Umwelt ideal.
Bildnachweis: Evgen_Prozhyrko / istockphoto.com

Dämmung der Fassade, der Fenster oder Türen – daran denken wir sofort, wenn es darum geht, Heizenergie zu sparen. Aber gerade Stellen wie die Rollladenkästen vergisst man oft beim Dämmen – dabei kann auch hier durchaus wertvolle und teure Energie verloren gehen, vor allem im Altbau.
Bildnachweis: Banepx / istockphoto.com
Warum wird vor dem Einbau einer Wärmepumpe eine Dämmung empfohlen?
Wenn Sie mit einer Wärmepumpe heizen, dann müssen Sie damit rechnen, dass diese auch immer wieder mal abgeschaltet wird vom Stromversorger – im Rahmen von Smart Grid. Wenn Sie Ihr Haus gedämmt haben, dann merken Sie das gar nicht, dann können Sie die zwei, drei Stunden locker überbrücken, weil es vorher zu einer Wärmespeicherung gekommen ist. Außerdem arbeiten Wärmepumpen nur im Niedertemperaturbereich effizient. Das heißt, ein Gebäude muss erst niedertemeperatur-ready gemacht werden, bevor eine Wärmepumpe effizient arbeiten kann. Dazu gehört eine ausreichende Wärmedämmung. Andernfalls laufen Ihnen die Stromkosten davon. Abgesehen davon ist diese Menge an Strom aus erneuerbaren Quellen auch gar nicht verfügbar. Den Energiebedarf senken, ist für den Gebäudebereich das Gebot der Stunde – und zwar bevor eine Wärmepumpe eingebaut wird.
Wo sehen Sie die Rolle des Bauherren?
Ich finde es schade, dass sich Bauherren nur bedingt wirklich mit den einzelnen Dämmstoffen auseinandersetzen, sie vergleichen und das für sie Beste gezielt aussuchen. Dabei haben die Dämmstoffe verschiedene Eigenschaften und es kann durchaus relevant sein, welche Dämmung man wählt. Bauen ist immer ein Kompromiss zwischen Brandschutz, Schallschutz, Wärmeschutz und Schutz vor eindringender Feuchtigkeit und damit vor Schimmel. Daneben spielen natürlich auch die vorhandenen finanziellen Mittel eine Rolle. Für den einen ist das richtig, für den anderen das – und auch jedes Gebäude ist anders, muss individuell betrachtet werden. Deswegen sind wir auch nicht dafür, dass der Gesetzgeber starre Anforderungen stellt, die am Ende nicht erfüllt werden können, weil jedes Haus anders ist.
Was ist die größte Herausforderung für die Branche in den nächsten Jahren?
Wir müssen zum einen mit unseren Produkten dazu beitragen, dass der Gebäudebestand klimaneutral wird. Erst Dämmung, dann zum Beispiel Wärmepumpe. Aber auch unsere Branche selbst sollte klimaneutral werden. Die Energie, die wir zur Herstellung unserer Produkte verbrauchen, wird zwar nach sehr kurzer Zeit wieder eingespart. Aber beide Dinge werden nicht miteinander „verrechnet“. Die Herstellung als solche muss bis 2045 klimaneutral werden. Und damit beschäftigen sich die Hersteller bereits intensiv. Das ist eine gewaltige Herausforderung, denn am Ende zählt immer der Preis und billiger wird es mit Sicherheit nicht. Aber es muss Teil unserer Agenda sein, dass wir Nachhaltigkeit herstellen, eine Kreislaufwirtschaft schaffen und klimaneutral agieren – zu bezahlbaren Preisen.